Moin!
Heute werfe ich einen kurzen Blick zurück auf die Rapssaison 2020 und werfe ein paar allgemeine Gedanken zur Rapsfotografie mit ein. In manchen Jahren wäre uns die gelbe Pracht immer noch erhalten oder würde sich jetzt ihrem Ende zuneigen. Doch wegen des milden Winters und Frühjahrs ging die Rapsblüte in Schleswig-Holstein, je nach Saatzeitpunkt und Standort, bereits etwa ab dem 20. April los. Bedingt durch den Corona-Lockdown war ich von März bis jetzt sehr viel draußen unterwegs und habe Wege, Felder und Gehölze erkundet, die ich bisher nicht kannte. Mein Hauptaugenmerk lag wieder auf dem Naturpark Westensee, der sich beinahe vor meiner Haustür im Dreieck zwischen Kiel, Neumünster und Rendsburg befindet, und seiner näheren Umgebung. Die Gegend ist, wie der Großteil Schleswig-Holsteins, stark landwirtschaftlich genutzt. Im Gegensatz zur Westküstenregion etwa ist die Gegend rings um den Westensee jedoch auch stark durch die letzte Eiszeit geprägt und dementsprechend sehr hügelig. So ergibt sich ein Landschaftsmosaik aus gewellten Feldern, Wiesen, Gehölzen, vielen Knicks und einigen Seen, ganz ähnlich der Holsteinischen-Schweiz. Die Bedingungen sind für schöne Rapsfelder also ziemlich gut. Ein schönes Rapsfeld ist natürlich nur die halbe Miete. Obwohl ein minimalistischer Ansatz bei Raps durchaus funktionieren kann (man stelle sich eine Raps-Version des Standarthintergrunds von Windows XP vor), suche ich in aller Regel nach Feldern mit Elementen, die das gelbe Blütenmeer aufbrechen und einen oder mehrere Points of Interest hinzufügen. Klassischerweise sind dies einzelne Bäume, Baumgruppen oder Knicks. Die meisten, und da nehme ich mich nicht aus, suchen jedoch nach dem einzelnen Baum. Nur leider ist der oftmals nicht zu finden. Darum möchte ich in diesem Beitrag Alternativen aufzeigen oder Denkanstöße geben.
Für meine erste Rapstour am 25. April suchte ich ein leicht zu erreichendes Rapsfeld auf, dass direkt neben einer größeren Landstraße liegt. Als ich letztes Jahr das Feld auf der gegenüberliegenden Straßenseite fotografierte fiel mir auf dem Feld ein wunderbar symmetrisch angeordnetes Baumensemble auf, das sich auf zwei ebenfalls mehr oder weniger symmetrisch angeordnete Hügel verteilt. Damit hatte ich also ein Rapsfeld in voller Blüte und ein ansprechendes Motiv. Nun kommt jedoch der wichtigste Part, der für ein gutes Rapsfoto entscheidend ist: das Licht.
Ich habe über die Jahre ungemein viele gute bis hervorragende Fotos im Allgemeinen wie Rapsfotos im Speziellen gesehen. Irgendwann wird man dann ziemlich anspruchsvoll, das ist ein ganz natürlicher Prozess. Inzwischen analysiere ich die Bilder anderer Fotografen eigentlich permanent. Dies geschieht schon völlig unbewusst. Und fast alle weniger guten Rapsfotos haben eines gemeinsam: Die Bedingungen und ganz besonders das Licht waren nicht gut. Entweder war gar kein direktes Sonnenlicht vorhanden, das den Raps zum Leuchten bringt, oder die Bilder erstrahlen im reinsten aber völlig strukturlosen gelb bei strahlend blauem Himmel ohne jegliche Details. Für ein absolut minimalistisches Foto kann dies in Einzelfällen durchaus passend sein und der Kontrast gelb und blau genügt dem Bild. Dies ist jedoch eher selten der Fall. Hier kommen jetzt die letzten zwei Komponenten mit ins Spiel: das Wetter beziehungsweise die Beschaffenheit des Himmels und die Tageszeit.
Das Wetter war an jenem Tag äußert wechselhaft und grade zum Abend nahm die Bewölkung zu und türmte sich düster hinter dem Rapsfeld auf. Nun musste ich eine der größten fotografischen Tugenden beweisen: Geduld. Jede Menge Geduld. Nach fast zwei Stunden des Wartens war es so weit und die Wolken hinter mir rissen ein wenig auf und tauchten den Raps ins kräftige warme Licht der frühen Abendsonne. Zunächst lag das gesamte Feld in der prallen Sonne – das war schon schön! Ich wartete für mein finales Foto jedoch noch länger, denn ich wollte ein Spiel aus Licht und Wolkenschatten auf dem Feld, das die sanft geschwungenen Hügel betont. Anderenfalls wäre die Beschaffenheit des Feldes im gelb untergegangen. Als Bonus wollte ich außerdem unbedingt einen Wolkenschatten im Vordergrund, der so gemeinsam mit den dunklen Wolken am Himmel das Rapsfeld und das Baumensemble einrahmt. Außerdem wirkt der Schatten so wie eine Vignette, die den Blick des Betrachters zusätzlich ins Zentrum des Bildes lenkt. Ich denke dieses Bild veranschaulicht sehr gut, wieso es sich lohnt auf viele verschiedene Faktoren zu achten und warum Geduld sich auszahlt, wenn es um ein gelungenes Rapsfoto geht.
Das strahlende Gelb des Rapses kontrastiert mit einem blauen Himmel natürlich auch ausgezeichnet. Doch ein rein blauer Himmel ist fotografisch alles andere als spannend. Doch wie es der Zufall wollte bescherte uns der Mai einige wenige Tage mit wunderschönen Quellwolken, die sich leider in aller Regel nur tagsüber zeigen. Das betone ich, weil es recht schwierig ist ein Rapsfeld in der prallen Mittagssonne zwischen 11 und 15 Uhr zu fotografieren. Die Kontraste sind bei direktem Sonnenlicht sehr hart und es ist schwierig den Raps so zu fotografieren, wie man ihn vor Ort vielleicht wahrgenommen hat. Zudem empfinde ich es als recht schwierig die Farbe und Leuchtkraft des Rapses im Mittagslicht in der Nachbearbeitung zu handhaben und realistisch herauszuarbeiten. Darum mein Tipp: Lieber die mehrstündigen Zeitfenster nach Sonnenauf- und vor Sonnenuntergang nutzen und das Fotografieren der Rapsfelder zwischen 11 und 16 Uhr vermeiden. Ein weiterer Bonus dieser Zeitfenster sind die längeren und fotogeneren Schatten. Zum Beginn des Nachmittagsfensters suchte ich das Rapsfeld mit dem symmetrischen Baumensemble an einem dieser Tage mit schönsten Quellwolken erneut auf und nahm dieses Foto mit einer völlig anderen Stimmung auf. Auch hier wartete ich den rechten Moment beim Spiel von Sonnen und Wolken um einen ähnlichen Effekt wie bei dem vorherigen Foto zu erzielen.
Welch ein Glück solch eine fotogene Baumgruppe im perfekten Rapsfeld zu finden, oder? Das ist nur die halbe Wahrheit! Ja, die Bäume stehen dort genau so auf den kleinen Hügeln, die Wolken sind genau so in den Aufnahmen und Licht und Schatten habe ich genau so eingefangen. Was ihr hier jedoch nicht seht sind die unschönen Stromleitungen, die quer über das Feld hängen. Diese habe ich zugunsten des wesentlich schöneren Bildeindrucks in der Nachbearbeitung bei beiden Fotos entfernt. Da ich nicht den Anspruch erhebe dokumentarisch die Realität abzubilden ist das für mich kein Problem. Ich verfolge eher einen Ansatz der näher an der Fine Art Photography anzusiedeln ist. Ich bin immer bemüht einen natürlichen und realistischen Bildeindruck zu erzeugen jedoch ist dieser Eindruck immer sehr stark subjektiv durch meine Wahrnehmung vor Ort, die Ausstrahlung und das Wesen des Orts und sicherlich auch durch meine Gemütslage beeinflusst. Um den gewünschten Eindruck zu vermitteln, kann es vorkommen, dass ich kleinere Makel oder störende Elemente entferne. Ich dichte jedoch nie etwas hinzu, obwohl ich einen ausgeprägten Hang zu Poesie habe. Meine Fotos verhalten sich zu puristischer Dokumentation trotzdem in etwa so, wie sich Gedichte zu trockenen Sachtexten verhalten. Ich glaube das trifft es ganz gut. Nun aber zurück zum Raps!
Nachdem ich das Rapsfeld unter schönsten Quellwolken fotografiert hatte machte ich mich noch zu einem kleinen Spaziergang auf und entdeckte durch puren Zufall noch ein weiteres hinter einem Wäldchen verstecktes Rapsfeld. Der Nachmittag ging allmählich in den frühen Abend über und die Quellwolken waren bereits dabei sich aufzulösen. Die beiden Bäume und die Traktorspuren, die als Linie ins Bild führten, machten das Feld aber dennoch zu einem recht lohnenden Motiv.
Auf einer Fototour an einem wunderschönen Nebelmorgen ergab sich zudem noch dieses etwas andere Rapsfoto. Ich tue mich schwer mit Raps zum Sonnenauf- beziehungsweise untergang, da mir dabei zu viel vom gelben Leuchten des Rapses, seine Essenz, verloren geht. Der Nebel streute das goldene direkte Sonnenlicht jedoch so sehr, dass alles in einen warmen orangen Schein gehüllt wurde und das gelb dennoch zur Geltung kam.
Am 14.05. schoss ich dann schließlich das letzte Rapsfoto der vergangenen Saison. Auf einem weiteren Spaziergang in eine gar nicht weite aber mir dennoch unbekannte Gegend entdeckte ich schließlich noch diese Baumgruppe auf einem Hügel. Das Wetter war wieder sehr wechselhaft mit mehr Wolken als Sonne. Doch grade als ich dieses Feld entdeckte und beschloss es mir aus der Nähe anzusehen zeichnete sich eine Lücke in der Wolkendecke ab. In weiser Voraussicht beeilte ich mich näher heranzukommen und nach einer Komposition zu suchen. Die Baumgruppe als Hauptmotiv, die dramatischen Wolken im Hintergrund und das sanft ansteigende Rapsfeld im Vordergrund. Da sich direkt außerhalb des abgelichteten Bildausschnitts ein eher unschöner Knick über den Hügel zog bestimmte dieser meine Komposition mit, da ich ihn unbedingt ausklammern wollte.
Kommen wir nun zu meinem letzten Tipp zur Rapsfotografie: Landschaft heißt nicht automatisch Weitwinkel! Ganz im Gegenteil. Oftmals macht die Komprimierung der Landschaft durch eine höhere Brennweite kompositorisch wesentlich mehr Sinn. Zum einen ermöglicht es das Hauptmotiv mehr zu betonen und unliebsame Elemente aus dem Bildausschnitt zu verbannen. Zum anderen hat es durch das „zusammenschieben“ von Vorder- und Hintergrund noch den Vorteil, dass auch ein Rapsfeld, dass sich dem Ende seiner Blütezeit nähert, noch einigermaßen voll und schön aussieht – so wie in diesem Foto. Und… habe ich schon erwähnt, dass dramatisches Licht essenziell ist?
Bonustipp:
Falls man keinen „einsamen Baum“ im Rapsfeld finden kann ist guter Rat teuer. Ein möglicher Workaround ist der Griff zu einer hohen Brennweite. In diesem Foto war mir im Hintergrund zu wenig los um es als herausragendes Foto zu bewerten und zu veröffentlichen. Es veranschaulicht jedoch sehr gut, dass man mit großen Brennweiten (hier 277mm am Vollformat) einzelne Bäume auf Feldern von anderen Bäumen isolieren kann, wenn es denn gewünscht ist.
….soooo schön geschrieben. Ich fühlte mich mitgenommen…